Falsche Bewertungen, Sanktionen und Richtlinien: Jazzbar Vogler vs. Tripadvisor

Autor: Andre Wolf

Wer nutzt sie nicht? Bewertungsportale als Informationsquelle über die Qualität des nächsten Urlaubs. Oder den nächsten Samstagabend. Bewertungsportale als präventive Ausgeh-Retter.

Gleichzeitig können Bewertungsportale auch ein Ort der Dankbarkeit sein. Dass Hotel oder Restaurant war zurecht gut? Dann zeige das auch. Sicherlich ist jeder über eine positive Bewertung glücklich. Problematisch wird es jedoch, wenn eine Bewertung als Frustventil genutzt wird.

Natürlich kann man auch negativ bewerten, das gehört zum Bewertungssystem dazu. Wenn etwas schlecht war (Essen, Betten, Hygiene) darf dass sachlich und korrekt in die Wertung einfließen. Hörensagen oder Vermutungen sollte man eher außen vor lassen.

Der Fall Jazzbar Vogler

Doch was ist, wenn eine Bewertung den Hinweis in sich trägt, dass sie nicht stimmen kann? Im Falle der Jazzbar Vogler zieht dass eine interessante Geschichte mit sich. Die Jazzbar Vogler, aktuell mit 67 Bewertungen auf dem Portal Tripadvisor beschrieben, von denen 64 “Sehr gut” oder “Ausgezeichnet” sind, bekam am 02. November 2015 eine Bewertung, die nicht nur völlig aus dem Rahmen fiel, sondern inhaltlich auch einen Haken hatte:

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(Screenshot mit freundlicher Genehmigung durch Jazzbar-Vogler)

„Sehr schlechtes Essen. Arroganter Chef. Es gibt wenig gute Jazz Clubs in München, aber Vogler braucht keiner. Auch wenn er schon seit 20 Jahren Musiker ausbeutet (…)“

“Sehr schlechtes Essen”

Sehr schlechtes Essen? Sehr großes Problem! Wir haben uns für diesen Fall mit dem Inhaber der Jazzbar in Verbindung gesetzt, der uns deutlich versicherte, dass es seit Jahren keine Küche im „Vogler“ gibt.

Insofern kann das Essen nicht kritisiert werden. Aus dieser Geschichte entwickelte sich nun ein Folgeergebnis mit verschiedenen Facetten.

Zunächst gelöscht

Der Inhaber erstattete nach eigenen Angaben ein Anzeige gegen den Nutzer „zorrozwo“ wegen Verleumdung. Er setzte zusätzlich Tripadvisor GmbH darüber in Kenntnis,die auch tatsächlich eingriffen und die Bewertung entfernten. Rund ein Jahr später erreichte die Jazzbar Vogler eine Mitteilung von Tripadvisor.

„Wir weisen (…) darauf hin, dass TripAdvisor jede Bedrohung (sic!) eines Benutzers (einschließlich Drohungen mit rechtlichen Konsequenzen), (…), als Verletzung unserer Richtlinien erachtet.“

Die Anzeige gegen den verleumderischen Kommentar des Nutzers stellte gemäß Tripadvisor eine Verletzung der Richtlinien dar. Tripadvisor teilte dem Inhaber Thomas Vogler mit, dass sie mit dem “Popularitätsindex” eine wirksame Richtlinie besitzen. Also eine Rückplatzierung im Ranking?

„Die Informationen über die Verhängung oder Aufhebung von Sanktionen sind geheim (…). Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass wir mit unserem Popularitätsindex (sic!) eine langfristig wirksame Richtlinie besitzen, mit der Sie in Bezug auf Ihren Eintrag verhängte Sanktionen schrittweise abschwächen können, sofern wir keine weiteren verdächtigen Aktivitäten feststellen.“

Nach Darstellung der Süddeutschen Zeitung konnte Vogler beobachten, wie seine Jazzbar auf einmal in einer anderen Kategorie geführt wurde und dort von dem vorherigen Spitzenplatz nur noch Rang 126 übrig blieb. Mittlerweile muss man jedoch sagen, dass diese Sanktionen augenscheinlich wieder aufgehoben wurden.

Vogler beteuerte uns gegenüber nochmals, dass die einzige „Einschüchterung“ dem TripAdvisor-Bewerter „zorrozwo“ gegenüber darin bestand, ihn wegen Verleumdung und übler Nachrede („Ausbeutung von Musikern seit 20 Jahren“) anzuzeigen und Tripadvisor parallel davon in Kenntnis zu setzen. Sowohl über die Anzeige an sich, als auch über das Aktenzeichen etc..

Letztendlich hinterlässt jedoch die fehlende Sanktionierung gegen den User „zorrozwo“ bei Betreiber Vogler einen faden Nachgeschmack.

Gastronomen müssen aber grundsätzlich die Möglichkeit haben, ihre zivilrechtlichen Möglichkeiten bei Verleumdung etc. auszuschöpfen. TripAdvisor schützt die Anonymität der Bewerter und öffnet durch sein Verhalten und dem Schutz der Täter dem Missbrauch von Bewertungen Tür und Tor.

„zorrozwo“ durfte eine weitere „Bewertung“ der Bar vornehmen, obwohl aus der 1., gelöschten, Bewertung ersichtlich war, daß es „zorrozwo“ nie um eine den TripAdvisor-Richtlinien entsprechende Bewertung ging, sondern ausschliesslich darum, das und den Vogler zu verleumden – und zu schädigen. Sein Satz: „Sehr schlechtes Essen“ ist der Beweis dafür, daß „zorrozwo“ nie Gast im „Vogler“ war.

Tripadvisor dazu

Wir haben natürlich nicht nur den Barbetreiber befragt, sondern auch Tripadvisor angeschrieben und um eine Erklärung zu dem genutzten Begriff “Sanktionen” gebeten, sowie auch darum, was verdächtige Aktivitäten sind. Ferner war es auch für uns von Interesse, wie sich die Sanktionen gegenüber der Jazzbar gezeigt haben (war es eine Rückstufung im Ranking?). Wir haben zu diesem Thema eine recht umfassende Antwort von Tripadvisor erhalten (ungekürzt).

„Im Dezember 2015 hat uns der Eigentümer der Jazzbar Vogler kontaktiert, um eine Bewertung auf seiner TripAdvisor-Seite anzufechten. Wie generell bei jeder Anfrage, haben wir auch in diesem Fall recherchiert und nachdem die Bewertung unseren Richtlinien nicht entsprach, wurde diese von der Seite gelöscht.

Im November 2016 haben wir jedoch Beweise gefunden, dass der Eigentümer einen User auf unserer Seite einschüchtert. Dieses Verhalten entspricht in keinster Weise unserer Philosophie und verstößt gegen unsere Richtlinien. Auch wenn solche Fälle sehr selten vorkommen, sind wir vorbereitet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um so ein Verhalten zu unterbinden und die Integrität unserer Seite zu wahren. Finden wir Beweise für Einschüchterungen, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die wir einsetzen können, um ein Unternehmen zu sanktionieren. Dazu zählt unter anderem die Herabstufung im TripAdvisor Popularitäts-Index. In all diesen Fällen wird das betreffende Unternehmen informiert.“

Zusätzliche Erläuterungen:

• „Im November 2016 wurde festgestellt, dass das Unternehmen auf unserer Seite fälschlicherweise in der Kategorie ‚Restaurants‘ gelistet war. Nachdem wir dies bemerkt haben, wurde die Unternehmensseite in die richtige Kategorie ‚Bar‘ verschoben. Im Zuge der nächtlichen „Umzugsaktion“ kann es vorgekommen sein, dass es ein paar Stunden gab, in denen das Listing und damit die Bewertungen nicht sichtbar waren.“

• Wie lang eine Sanktionsmaßnahme andauert, wird individuell von Fall zu Fall entschieden. Zudem begrüßen wir die Gelegenheit, um Unternehmen zu helfen, ähnliche Sachverhalte zukünftig zu vermeiden.

Zum Aspekt der Belästigung/Einschüchterung:

Zudem möchten wir auf die Nutzungsbedingungen auf unserer Webseite verweisen – hier wird ganz gut aufgeschlüsselt, welche Dimension damit gemeint ist:

(…) Durch die Nutzung interaktiver Bereiche stimmen Sie ausdrücklich zu, keine der folgenden Inhalte auf diese Website hochzuladen oder zu übertragen oder über diese einzustellen, zu verbreiten, zu speichern, zu erstellen oder auf sonstige Weise zu veröffentlichen:

• Nachrichten, Daten, Informationen, Text, Musik, Sound, Fotos, Grafiken, Code oder anderes Material („Inhalte“), die falsch, unrechtmäßig, irreführend, verleumderisch, diffamierend, obszön, pornografisch, anstößig, unzüchtig, anzüglich oder diskriminierend sind oder die Diskriminierung einer anderen Person befürworten, Drohungen enthalten, das Recht auf Privatsphäre oder das Persönlichkeitsrecht verletzen oder beleidigend, aufhetzerisch, betrügerisch oder auf sonstige Weise zu beanstanden sind; siehe hier: https://www.tripadvisor.de/pages/terms.html

Zorrozwo zum zwoten ..

„zorrozwo“ ist weiterhin auf Tripadvisor aktiv. Er hat mittlerweile eine neue Bewertung über das „Vogler“ verfasst, in der es zumindest nicht ungenügend, sondern nur mangelhaft (also 2 Punkte) abschnitt. Weiterhin jedoch die schlechteste und einzige Bewertung in dieser Punkteklasse.

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(Screenshot: Tripadvisor)

Bewertungen von Unternehmen aus juristischer Sicht

imageKarsten Gulden von “gulden röttger rechtsanwälte” zu diesem Thema: Negative und schlechte Bewertung im Internet sind erlaubt, wenn dadurch nicht die Rechte des Bewertenden verletzt werden. Wann eine negative oder schlechte Bewertung unzulässig ist muss im Einzelfall geprüft und entschieden werden.

Nicht erlaubt sind Bewertungen, die falsche Tatsachenbehauptungen enthalten oder strafbar sind (Beleidigung, Verleumdung, Üble Nachrede). Auch sogenannte Schmähkritiken sind verboten. Eine Bewertung ist daher unzulässig, wenn es dem Bewerter nur darum geht, bspw. das Unternehmen, den Arzt, das Hotel, das Restaurant oder den Verkäufer in ein schlechtes Licht zu rücken und keine sachliche Auseinandersetzung erfolgt.

Diese Falschangabe (siehe Bewertung von Speisen, obwohl keine im Angebot sind) lässt darauf schließen, dass der Bewerter niemals Kunde war. Damit liegt eine Fake-Bewertung vor. Diese Bewertungen sind rechtswidrig und verstoßen auch gegen die Nutzungsbedingungen der Portale. Die Bar kann dagegen vorgehen und die Entfernung fordern.

Neue Rezensionslinie bei Amazon

Rezensionen stellen immer wieder ein Problem dar, nicht allein bei Tripadvisor. Auf ggr-law.com berichtet Karsten Gulden auch davon, dass Amazon eine neue Rezensionsrichtlinie einführt, um stärker gegen irreführende und gefakte Rezensionen vorgehen zu können. Amazon hat kürzlich eine neue „Rezensions-Richtlinie“ veröffentlicht, die den anreizbasierten Bewertungen den Kampf ansagt. Unklar war bisher, was mit den massenhaften Bewertungen geschehen soll, die vor der Abänderung der Nutzungsbedingungen verfasst wurden. Wir haben bei Amazon nachgefragt und nun die Antwort erhalten:  (weiter auf ggr-law.com)

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