Faktencheck: Behauptungen über die Organspende

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Autor: Ralf Nowotny

Immer wieder kursiert in sozialen Medien ein Schriftstück, welches diverse Behauptungen über die Praxis bei einer Organentnahme enthält.

Einige Stellen dieses Schriftstücks, dessen Quelle leider nicht bekannt ist, erwecken den Eindruck, dass eine Organentnahme ein grundsätzlich barbarischer Akt ist, der zu verurteilen sei.
Es handelt sich um jenes Schriftstück:

MIMIKAMA
Screenshot: mimikama.org

Folgende Stellen sind explizit mit roter Umrandung, Unterstreichung und Pfeilen hervorgehoben:

  • Der „Spender“ wird an Armen und Beinen festgebunden, um Bewegungen zu verhindern.
  • Er bekommt muskelentspannende Medikamente und oft auch Narkosemittel, die Schmerzmittel enthalten. Doch viele Anästhesisten verzichten auf Anraten von Ärzteorganisationen auf Narkose- und Schmerzmittel. Das Problem der Bundesärztekammer ist, dass mit einer verpflichtenden Erklärung zur Narkose bestätigt würde, es handele sich bei den „Hirntoten“ um noch lebende Menschen. Also nimmt man billigend in Kauf, dass Menschen während der Organentnahme Schmerzen erleiden könnten.
  • Bei „normalen“ Operationen werden diese Zeichen [Blutdruck-, Herzfrequenz- und Adrenalinanstieg] als Schmerzreaktionen gewertet. Nicht jedoch bei „Hirntoten“!
  • Die Organe werden bei schlagendem Herzen freigelegt und für die Entnahme präpariert.
  • Mit der Entnahme der Organe ist der „Hirntote“ gestorben.
  • Den Pflegekräften bleibt es am Ende oft allein überlassen, den Körper auszustopfen und die riesigen Wunden zu verschliessen.
  • Ein friedvolles und behütetes Sterben im Beisein von Angehörigen oder Freunden ist bei einer Organentnahme nicht möglich. Sterbebegleiter sind die Transplantationsmediziner.

Zusammengefasst soll jener Text also belegen, dass eine Organentnahme eine unaussprechliche Qual für den Spender darstellt.
Ob dies nun allerdings auch den Tatsachen entspricht, möchten wir im Folgenden betrachten!

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Wann ist ein Mensch wirklich tot?

Immer wieder wird von verschiedenen Arten des Todes gesprochen: Hirntod, Herztod, Erstickungstod, Organtod. Allerdings weisen all diese Namen zumeist nur auf die Ursache eines Todes hin und erwecken nur den scheinbaren Eindruck, dass man den endgültigen Tod eines Menschen verschieden definieren könne.
Wie aber Stefanie Förderreuther vom Neurologischen Konsiliardienst der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität in einem Gespräch mit Bayern2 erklärte, gibt es im Prinzip nur einen Tod: Den Hirntod!

Wie wird der Hirntod festgestellt?

Der medizinisch sogenannte „Irreversible Ausfall der Hirnfunktionen“ besagt, dass die Gesamtfunktion des Gehirns dauerhaft außer Kraft gesetzt ist und sich auch nicht mehr erholen kann. Dabei wird von allen Hirnarealen gesprochen, also Großhirn, Kleinhirn, Zwischenhirn und Hirnstamm. Wenn auch nur eines davon noch funktionsfähig ist, liegt auch kein Hirntod vor.

Bei der neurologischen Untersuchung von Patienten müssen Ärzte immer wieder den Zustand des Gehirns überprüfen, bevor ein Gehirntod diagnostiziert werden kann. Dies geschieht beispielsweise durch Überprüfung des Atemantriebes, Hustenreflex, Reaktion der Pupillen auf Licht und Blinzelreflex bei Berührung der Hornhaut des Auges.

Zusätzlich wird überprüft, ob bestimmte Einflüsse die neurologischen Untersuchungen beeinflussen, beispielsweise ob ein bestimmtes Medikament oder Besonderheiten im Stoffwechsel des Patienten dazu führen, dass nur ein scheinbarer Hirntod vorliegt. Letztendlich werden auch bei manchen Patienten EEG-Messungen vorgenommen, um Gehirnströme nachzuweisen, dazu noch Durchblutungsuntersuchungen, also ob das Gehirn überhaupt noch mit Blut versorgt wird.

Und all diese Tests werden nicht etwa von einem Arzt alleine gemacht, sondern von zwei Ärzten unabhängig voneinander. Beide Ärzte müssen jahrelang Erfahrung in der Intensivmedizin vorweisen können, eine spezielle Ausbildung bekommen haben und dürfen nichts mit einer eventuellen, späteren Organentnahme bei einem Patienten zu tun haben.

Bevor also ein Patient für hirntot erklärt wird, werden eine Vielzahl von Untersuchungen durchgeführt. Wenn dies aber dann schließlich von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt wurde, steht fest, dass das Gehirn, die Schaltzentrale des Menschen, nicht mehr funktioniert.

Ohne Hirnfunktion kein Schmerz!

Was viele Angehörige von hirntoten Patienten verunsichert (und letztendlich wohl auch zu jenem obigen Schriftstück führte), ist der Anblick des Patienten:
Ein hirntoter Mensch sieht im Krankenhaus keineswegs tot aus! Der Kreislauf funktioniert noch, der Brustkorb hebt und senkt sich, die Haut hat eine relativ gesunde Farbe, sogar Schwitzen und Fieber sind bei einem solchen Patienten möglich.

Dies alles geschieht allerdings nur, weil diese Körperfunktionen durch die Maschinen am Krankenbett aufrecht erhalten werden. Würde man die Maschinen abschalten, stünde der Kreislauf in kürzester Zeit still, das Herz würde aufhören zu schlagen, die Leichenstarre würde einsetzen.

Wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert, kann ein Patient auch nichts mehr empfinden, auch keinen Schmerz mehr, da die Signale der Nerven im Körper vom Gehirn nicht mehr verarbeitet werden!

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Warum wird der Körper dann festgeschnallt?

Zwar können vom Gehirn aus keine willentlichen Bewegungen mehr ausgeführt werden, ein hirntoter Patient kann aber durchaus noch Reflexe zeigen.
Als Beispiel sei das Hämmerchen genannt, welches einem der Arzt manchmal auf das Kniegelenk haut, um den Reflex zu testen: Der Unterschenkel schnellt automatisch nach vorne, obwohl er vom Gehirn keinen Befehl dazu bekommen hat.

Teilweise konnten Ärzte bei hirntoten Patienten auch komplexere Bewegungen feststellen, bei denen der Patient beispielsweise bei einem Schmerzreiz am Brustbein mit den Armen versucht, die Hand des Arztes wegzuwischen. Dies sorgt bei unerfahrenen Arzthelfern natürlich für große Verunsicherung, doch mittlerweile konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass diese Reflexe von Nerven kommen, die sich im Rückenmark befinden.
Jene Nerven im Rückenmark werden weitgehenst vom Gehirn kontrolliert, doch wenn dieses nicht mehr funktioniert, reagieren die Nerven unkontrolliert und lösen manchmal jene Reflexe aus.

Auch aus diesem Grund müssen bei einer Organentnahme immer erfahrene Ärzte anwesend sein, die genau feststellen können, ob ein Reflex nur vom Rückenmark ausgeht oder ein Indiz für eine Hirntätigkeit ist.

Warum bekommt ein Hirntoter Narkosemittel?

Bei einer lebenden Person soll die Narkose dazu dienen, dass der Patient keine Schmerzen empfindet, in einen schlafähnlichen Zustand versetzt wird und die Muskeln des Patienten entspannt werden. Für jedes dieser Ziele gibt es ein Medikament:

  • Ein Mittel gegen Schmerzen = Analgetikum,
  • ein Schlafmittel = Hypnotikum und
  • ein Mittel zur Muskelerschlaffung = Muskelrelaxans

Bei einer Organentnahme werden Muskelrelaxantien verabreicht, um spinale Reflexe, die zu Spontanbewegungen und zum Anstieg von Blutdruck und Herzfrequenz während der Organentnahme führen, zu verhindern. Also keine Narkose, keine Schmerzmittel, aber ein Medikament um spontane Muskelbewegungen zu unterbinden.

Fazit

Das obige Schriftstück wurde anscheinend von einem Laien verfasst, der sich nicht wirklich mit dem medizinischen Hintergrund einer Organentnahme beschäftigt hat.
Vor einer Organentnahme muss der Hirntod zweifelsfrei von zwei Ärzten unabhängig voneinander durch verschiedene Untersuchungsmethoden festgestellt werden. Mit dem Hirntod hat ein Patient auch keinerlei Schmerzempfinden mehr. Alle Punkte in dem Schriftstück gehen aber davon aus, dass ein Patient noch prinzipiell am Leben ist.

So wird die Medikation eines hirntoten Patienten missgedeutet, ebenso die Reflexreaktionen des Körpers falsch interpretiert. Das schlagende Herz wird nur noch durch Maschinen am Leben erhalten, ist jedoch kein Indiz dafür, dass der Patient eigentlich noch lebt, wenn festgestellt wurde, dass das Hirn nicht mehr arbeitet.

Somit steht zwar auf dem Totenschein tatsächlich erst das Datum der Organentnahme als Todesdatum, allerdings auch nur deswegen, weil zu diesem Zeitpunkt dann auch die Maschinen abgeschaltet werden, welche den Kreislauf und die Organe am Leben erhalten haben, während das Hirn, somit auch der Mensch, im Prinzip schon tot waren.

Der Hirntod selbst wird auch deshalb nicht direkt als Todesdatum verwendet, da es nicht möglich ist, einen exakten Zeitpunkt dafür festzulegen: Ärzte schauen nicht einfach kurz, sagen „Hirntod“ und haken es ab, sondern das EEG des Patienten darf mindestens vier bis acht Wochen lang keinerlei Hirntätigkeiten vorweisen.

Schlussendlich ist das Schriftstück also eine Sammlung von falschen Behauptungen und Missinterpretationen über Organentnahmen.

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