Geflüchteten und Hartz-IV-Empfängern können steigende Energiekosten nicht egal sein

Autor: Ralf Nowotny

Halbwahrheit
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Wenn man mosern will, wird gerne auf die gehauen, die zumeist am wenigsten dafür können: Geflüchtete und Hartz-IV-Empfänger.

So manche Accounts in sozialen Medien sind eigentlich nur dafür da, um andere Nutzer aufzustacheln – ob dies aus eigener Verbitterung oder aus der Lust am Hetzen liegt, sei dahingestellt. In diese Sparte passen viele Accounts, die ein Sharepic teilen, welches sich unter anderem gegen Geflüchtete und Hartz-IV-Empfänger richtet: Diese müssten sich ja nie Sorgen um steigende Energiekosten machen, da ja alle anderen für sie zahlen.
Doch wirklich korrekt ist die Behauptung nicht.

Um dieses Sharepic handelt es sich:

Sharepic über Energiekosten
Sharepic über Energiekosten

Der Text auf dem Sharepic:

„Es gibt in Deutschland 5 Gruppen, denen steigende Energiekosten ziemlich egal sind.
Millionäre, Hartzer, Flüchtlinge, Migranten, Häftlinge
Der Rest geht arbeiten und bezahlt das.“

Überraschenderweise fehlen Obdachlose in der Aufzählung (aber gegen die kann man ja nicht so gut meckern), dafür kommen Flüchtlinge/Migranten doppelt vor, gibt also einen Punkt Abzug.
Schauen wir mal, inwiefern die Behauptung stimmt!

Müssen sich diese Gruppen wirklich keine Sorgen machen?

Millionäre:
Ich persönlich kenne jetzt keine Millionäre, aber zumindest wohlhabendere Menschen mit dementsprechend großen Häusern. Auch diese „leiden“ im Prinzip unter gesteigerten Energiekosten, jedoch können sie es zumeist finanziell leichter abfedern.
Den Punkt gestehen wir also mal zu, aber falls sich Millionäre unter unseren Leserinnen und Lesern befinden, die das Gegenteil berichten können, lassen wir uns gerne eines Besseren belehren.

Wahr: Millionäre machen sich wahrscheinlich weniger Sorgen um steigende Energiekosten.

Hartzer:
Dies ist die herablassende Ausdrucksweise für Hartz-IV-Empfänger, also Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen. Laut den Seiten der Bundesregierung (siehe HIER) werden „werden die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen, soweit sie angemessen sind“.

Was sonst noch alles im Regelbedarf enthalten ist, wird ebenfalls aufgeführt (siehe HIER), was man dort allerdings nicht findet, sind die Stromkosten.

Halbwahr: Heizkosten werden tatsächlich bezahlt, die individuellen Stromkosten werden jedoch nicht vom Amt übernommen.

Flüchtlinge/Migranten:
Die Definition von Flüchtlingen, also Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten, ist klar, bei „Migranten“ wird es jedoch schwammig, weil damit jeder gemeint ist, der nach Deutschland zieht, ob aus wirtschaftlichen Gründen, aus Liebe oder weil er einfach mag.
Wir gehen aber mal im Kontext davon aus, dass damit Migranten beispielsweise aus Syrien und Afghanistan gemeint sind, die aufgrund des Krieges und Verfolgung nach Deutschland flüchten.

Nehmen wir also zusammenfassend den Begriff „Asylbewerber“:
Diese bekommen gemäß dem Aslybewerbergesetz  anfangs Geld- und Sachleistungen. Da Aslybewerber zumeist in Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind, werden Strom und Heizung als Sachleistung erbracht – in dem Punkt stimmt also die Aussage des Sharepics.

Nach 18 Monaten Aufenthalt allerdings erhalten Asylbewerber zumeist meist dieselben Regelleistungen wie Hartz IV-Empfänger, bei denen Unterkunft und Heizkosten übernommen werden – nicht jedoch die Stromkosten.

Unter bestimmten Umständen dürfen Asylbewerber übrigens auch während des laufenden Asylverfahrens arbeiten, nämlich nach einer dreimonatigen Wartefrist, mit Genehmigung und wenn sie nicht in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen und aus einem unsicheren Herkunftsland stammen.
Asylbewerber, deren Abschiebung ausgesetzt wurde (geduldet), dürfen nach sechs Monaten arbeiten.

Halbwahr: In der Anfangsphase bekommen Asylbewerber die Energiekosten bezahlt, nach 18 Monaten müssen sie, wenn sie Sozialleistungen erhalten, die Stromkosten selbst zahlen, die Heizkosten werden übernommen.

Häftlinge:
Gemäß dem „Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung“ können auch Häftlinge an den Energiekosten, welche zu den Kosten der Haft zählen, beteiligt werden. Dies trifft beispielsweise auf Freigänger zu, die außerhalb des Gefängnisses ein eigenes Einkommen haben, eine Rente beziehen oder sonstige, regelmäßige Einkünfte haben.

Direkt bekommen Häftlinge nicht die gesteigerten Energiekosten zu spüren, indirekt aber, wenn Häftlinge, die die Haftkosten teilweise selbst tragen, aufgrund einer erhöhten Pauschale dann auch mehr zahlen müssen.

Größtenteils richtig: Die meisten Häftlinge bekommen die Kosten voll übernommen, Häftlinge, die an ihren Haftkosten beteiligt sind, bekommen gesteigerte Energiekosten nur indirekt zu spüren.

Fazit

Der Vorwurf „Der Rest geht arbeiten und bezahlt alles“ stimmt sachlich nicht. Auch Millionäre arbeiten zumeist, Hartz-IV-Empfänger bemühen sich um Arbeit, Asylbewerber können unter Umständen arbeiten, zumindest die Freigänger unter den Häftlingen können arbeiten.

Die Energiekosten werden zudem nur partiell vom Amt bzw. dem Staat übernommen: Während bei Hartz-IV-Empfängern und anerkannten Asylbewerben mit Sozialleistungen die Heizkosten übernommen werden, müssen die Stromkosten selbst getragen werden.

Die Aussage des Sharepics ist somit stark verallgemeinert und möchte nur Aufregung provozieren.


Quelle: Correctiv
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