Die doppelt verpackte Dose: Geschichte eines Fotos

Autor: Andre Wolf

Dose auf, zack zack zack
Dose auf, zack zack zack

Das Foto von einer in Folie und Styropor eingepackten Dose hat viele Menschen auf Social Media irritiert und uns zu einem spannenden Faktencheck geführt.

Zugegeben, diese Dose dürfte einer der irrelevantesten Faktenchecks überhaupt sein, aber es ist einer der spannendsten Fälle, die das Mimikama-Rechercheteam zusammen mit der Mimikama-Community gelöst hat.

Also fangen wir von vorne an und werden an dieser Stelle Teil einer typischen Mimikama-Geschichte. Wer also immer schon wissen wollte, wie so ein Faktencheck abläuft und welche Irrwege man dort geht, sollte sich zurücklehnen und an dieser Stelle genießen.

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Am Anfang war das Foto. Das Foto, auf dem man ein paar Dosen sieht. Diese Dosen wären nicht ungewöhnlich, wenn sie nicht zusätzlich auf einer Styroporunterlage foliiert wären.

Die großen Fragen hier: Was ist in den Dosen und warum zum Teufel sind diese nochmals verpackt?

Der Faktencheck zur Dose

Der erste Gedanke, der sich auch aus einigen Kommentaren herleiten ließ, ging in Richtung Surströmming. Bei Surströmming handelt es sich um eine übelriechende schwedische Delikatesse.  Es handelt sich um Fisch, der in Salzlake eingelegt wird und gärt (siehe hier).

Weil er in dem Gärprozess zu einem echten Stinkefisch wird, hätte man annehmen können, dass er eben mancherortens doppelt verpackt wird, damit keine Gase ausströmen. Doch das trifft hier nicht zu!

Die Faktencheckernase sagt zwar, der Fisch stinkt, er muss jedoch nicht gekühlt werden. Bei Surströmming handelt es sich um Dauerware, die nicht gekühlt werden muss. Auf dem Bild sieht man jedoch deutlich, dass die Dosen zwischen Lachs in einem Kühlregal liegen. Ebenso haben die Bildvergleiche mit allen gängigen Surströmming-Dosen kein Ergebnis gebracht.

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Also geht die Suche weiter. Schauen wir das Bild genau an. Wir sehen auf der Dose die Beschriftung CKL. Ist das eine Firma? Es gibt in der Tat das Firmenkürzel CKL, doch auch hier landen wir in einer Sackgasse (vergleiche hier und hier). Auch ein wenig Spielerei mit einem Grafikprogramm brachte keine neueren Details der Dose hervor.

Was tun? Wenden wir den Blick weg von den Dosen hin zu dem Umfeld. Wir sehen abgepackten Lachs.

Eine heiße Spur!

Der Lachs „Presidents Choice“ auf der linken Seite trägt sowohl eine englische, als auch eine französische Beschriftung. Lachs – Englisch – Französisch: Wer hier die Ahornblätter fallen hört, denkt direkt an Kanada. Tatsächlich wird man bei diesem Lachs auch in Kanada fündig (siehe hier).

Laut Wikipedia wird die Marke „Presidents Choice“ in Kanada in den Ketten Maxi, Provigo, Loblaws und Real Canadian angeboten (vergleiche). Jetzt kommt die große Frage: Welches Produkt in einer Dose liegt in einem Supermarkt in einem Kühlregal?

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Thunfisch fällt flach, Surströmming ist auch bereits raus. Kommen wir daher zurück zum CKL, denn dieses Kürzel oben auf der Dose liefert den letzten Hinweis. CKL steht in diesem Kontext für Claws-Knuckle-Leg.

Claws-Knuckle-Leg, da gibt es dann nicht mehr viele Meerestiere, auf die das zutrifft. Sucht man unter der Bezeichnung CKL Meat, landet man bei Hummer oder Krabbe. Das kombiniert mit gekühlt oder gefroren und dem englischen Begriff „can“ (für Dose) ergibt einen Volltreffer:

Wir finden am Ende eine Dose mit der Aufschrift Rocky Point Lobster. Ein Foto dieser Dose findet sich in guter Auflösung auf der Webseite westmorlandfisheries.ca. Wir haben das Foto der Dosen aus dem Laden entsprechend mit dem Produktfoto verglichen und siehe da: Es passt!

Alle Details stimmen überein
Alle Details stimmen überein

Ein Teil des Rätsels ist also nun gelöst. Wir haben hier eine Dose mit gefrorenem Hummer der Marke „Rocky Point“ vorliegen. Doch warum ist diese Dose nochmals verpackt?

Die doppelte Verpackung

Hierzu sind weitere Bildersuchen notwendig. Aber mit dem Wissen, dass dieses Foto aus Kanada stammt, ist es wesentlich einfacher, das Ursprungsfoto zu identifizieren und die Angaben zu vergleichen. Dabei kam heraus, dass es sich um eine Supermarkt der Kette Provigo in François Gauthier (Windsor/Kanada) handelt.

Bei jenen Bildern, die aus Kanada stammen (mittlerweile gibt es so viele Reposts, dass dies ursprünglich nicht eindeutig war), liest man immer wieder eine bestimmte Angabe, warum diese Dosen nochmals so verpackt werden: Es ist eine Art Diebstahlsprävention.

Traurig, aber wahr: Diese kleinen Dosen sind sehr teuer. 100g liegen da locker mal bei 10 $, so dass 320g durchaus über 30$ kosten, was auch einige Kommentare bestätigen. Man liest hier:

Je ne veux pas defendre provigo mais ce n’est pas du thon mais du homard à 36$ la canne. Ils grossissent l’emballage c’est plus dur à voler. Chez nous il faut simplement le demander au boucher ce n’est pas en vente libre trop de vol.
(Ich will Provigo nicht verteidigen, aber es ist kein Thunfisch, sondern Hummer für 36 Dollar pro Stock. Sie machen die Verpackung größer, es ist schwerer zu stehlen. Bei uns muss man einfach danach fragen, beim Metzger sind sie nicht erhältlich, zu viel Diebstahl. – übersetzt mit DeepL)

Die Verpackung dient also augenscheinlich dazu, dass diese kleinen Dosen nicht mal eben in einer Jacken- oder Hosentasche verschwinden, sondern zu sperrig für einen einfachen Diebstahl sind. Das macht es jetzt nicht besser, aber verständlicher. Ob dies jedoch so stimmt, muss noch komplett verifiziert werden.

Wir haben für diese Verifikation eine Mail an Hersteller und Supermarkt versendet. Bisher steht eine Antwort aus, wir werden den Artikel entsprechend ergänzen.

DANKE!

An dieser Stelle möchte ich dem Team danken, das bis spät in die letzte Nacht hinein an dem Bild gesucht und gewerkelt hat. Danke, ihr seid der Wahnsinn:

Beate Liedemann, Anke Möwe, Claudia Graul, Nicole Reimuth, Rüdiger Reinhardt, Waldtraut Dittes Scherkl, Dani Büsker und GANZ besonders André Reinsdorf, sowie die Mimikama-Community.

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Wir haben für diesen Faktencheck sehr häufig die Bildersuche verwendet. Wie diese funktioniert, erklären wir HIER.

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