Aufgedeckt: Wie das Internet dahingehend hereingelegt wurde, dass es den Anschein hatte, dass Twitter die Anschläge in Paris vorhergesagt hat.

Autor: Andre Wolf

Eine Verschwörungstheorie über die Anschläge von Paris nimmt gehörig Fahrt auf.

Mimikama: Information

Angefangen mit einem einzelnen Tweet, der 48 Stunden vor den Geschehnissen, die sich Freitag Nacht ereignet haben, gepostet wurde.

Hier ist der Tweet:

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Die Leute fragen sich natürlich, wie ein Tweet, der die aktuellen Opferzahlen in Paris beschreibt, zwei Tage vor den Anschlägen veröffentlicht werden konnte. Wir haben das im Anschluss farblich verdeutlicht, um die einzelnen Bestandteile des Tweets zu erkennen.

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Dazu muss man schon genauer hinschauen und dann erkennt man, dass hier verschiedene Accounts am Werke sind. Der Account PZFeed Ebooks, der am 11. November von dem Anschlag auf Paris berichtete, ist eine Art Fake-Account, ein Bot. Zudem wurde dieser Account auch jüngst deaktiviert. Dieser Account trägt den Namen @PZbooks und legte eine recht ungewöhnliche, jedoch automatisierte Verhaltensweise an den Tag.

Ein Puzzle

Die Antwort ist eine Mischung aus unglaublichem Zufall und simplem Glück. Der Account “@PZbooks” war ein Bot, der automatisch Tweets mit Schlagzeilen aus dem realen Newsfeed namens PZFeed breaking News Feed (@pzf) generiert. @PZF ist ein echter Newsfeed, @PZbooks ein Bot, also ein automatisches Programm. Dieser puzzlete quasi News zusammen. Der Bot nahm Teile von echten, alten Überschriften von @pzf und kombinierte diese zu neuen, natürlich falschen, Schlagzeilen. Dies sind nun die beiden Tweets, aus denen dieser Bot obige Schlagzeile am 11. November zusammengebaut hat. Zur Verdeutlichung: Textbaustein rot stammt vom 07. Januar 2015, Textbaustein grün stammt vom 28. Januar 2014.

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(Originalmeldungen auf Twitter: @PZF)

Dies sind beides authentische Schlagzeilen aus einer legitimen News-Quelle. Der eine (rote Linie) bezieht sich auf das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo Anfang des Jahres, während die andere (grüne Linie) jedoch von einem Angriff auf eine Moschee in Nigeria letzten November, bei der 120 Menschen zu Tode kamen und 270 weitere verletzt wurden berichtet.

Verdammt üble Kombination

Es trägt zudem zu weiterer Verwirrung bei, dass dieser Fake-News-Bot einen ähnlichen Namen hat wie die echte, glaubwürdige Quelle – PZFeed Ebooks gegenüber PZFeed Breaking News Feed.

Man kann die entstandene Situation ein Stück weit mit der ewig alten Frage vergleichen, ob ein Affe, den man an eine Schreibmaschine setzt, irgendwann zufällig die gesammelten Werke von Shakespeare tippt.

Verfolgt man die Tweets dieses Fake-Bots zurück, so sieht man eine ganze Reihe von unlogischen Meldungen. Dabei steht der Textbausein „rises to at least 120 with 270 others injured“ des Bot-Accounts immer wieder hinter verschiedenen Ortsangaben. Die Anzahl der Vorkommnisse des Satzteils mit den Todesopfern immer im Zusammenhang mit anderen Meldungen lässt erahnen, wie die ganze Geschichte dort funktioniert, und vor allem wie zufällig es ist, dass eines Tages zufällig genau diese oben genannten Schlagzeilen kombiniert werden.

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So mancher kennt vielleicht noch den Twitter-Spam-Bot mit dem Namen „Horse_Ebooks“, der 2010 bekannt wurde. Dieser Twitter-Account wurde berühmt bzw. berüchtigt mit sinnfreien Bemerkungen, die augenscheinlich von anderen Seiten und Quellen zusammengesucht wurden. Hier ist ein Beispiel:

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„Horse_Ebooks“ hat die Seelen der Gemüter derart angeregt und unterhalten, dass obwohl es sich in diesem Fall um einen Performance-Act handelte, dies Twitter quasi für immer verändert hat. Die Geschichte hat letztendlich viele Bots nach dem gleichen Muster ins Leben gerufen, alle irgendwie mit „Ebooks“ im Namen. Siehe dazu auch Independent.co.uk.

Es gibt also auf Twitter Accounts, hinter denen stecken keine Menschen, sondern Bots, die Textbausteinen aus anderen Tweets nehmen und einfach zusammensetzen. Einer dieser Bastelbot-Accounts war @PZbooks, der am 11. November aus der Charlie Hebdo Meldung vom 07. Januar 2015 und der Nigeria Meldung vom 28. November 2014 einen neuen bastelte und am 11. November 2015 veröffentlichte.  Diese Tatsache hätte eigentlich zumindest manche Leute hellhörig werden lassen müssen, als dieser besagte Tweet von einem Account mit dem Namen „PZFeed Ebooks“ kam. Tat sie aber nicht.

Stattdessen gab es Retweets, Screenshots und Verdächtigungen, teils aus üblichen, eher fragwürdigen Quellen, aber auch aus etablierten und geachteten Quellen, wie Al Jazeera Arabic host, Faisal al-Quassem, etc.

Es zeigt letztendlich, dass manchmal die unglaublichsten Zufälle, die von Verschwörungstheoretikern im Internet als Verschwörungen verkauft werden, einfach nur Zufälle sind.

via Albawaba, Autor Rüdiger (ZDDK/Mimikama)

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