Smartphones oder Simkarten für Migranten?

Autor: Tom Wannenmacher

Auf Facebook kursiert seit Tagen ein Video, welches auf YouTube veröffentlicht wurde:

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Es gibt die Aktion, allerdings nicht von staatlicher Seite, weder in Österreich noch in Deutschland.

Die Verschwörungstheoretiker nutzten wieder einmal die Chance und versuchen wieder einmal Stimmung gegen den Staat und die Migranten zu machen.

Allerdings ohne wirklich Substanz zu liefern, sondern sie lassen vielmehr einfach Informationen weg und stellen dazu ein paar Behauptungen auf.

Produziert wurde es von Klagemauer.tv. Und diese machen seit geraumer Zeit durch wüste Thesen und Verschwörungstheorien auf sich aufmerksam.


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So wie die im Video vorgestellten:

  1. in Österreich bekämen Migranten, nach Aussagen aus Polizeikreisen, bei der Erstaufnahme ein kostenloses Smartphone mit dem sie anonym telefonieren können, ohne Vorlage von Ausweispapieren oder Kontodaten.
  2. In Deutschland würde der Anbieter yourfone kostenlose Simkarten an Migranten verteilen, ohne Registrierung, dazu gäbe es eine Ausnahmegenehmigung der Netzagentur.

Zu 1. es ist immer einfach sich auf Aussage aus Polizeikreisen, oder von Polizeikräften zu beziehen, schließlich kann jeder sofort nachvollziehen, dass der betreffende Beamte seine Aussage nur anonym gemacht hat. Keiner erwartet genaue Beweise, es reicht völlig die Behauptung in den Raum zu stellen. Ein gefundenes Fressen für die Verschwörungstheoretiker von Klagemauer, wer weiß vielleicht haben diese sogar selber die Behauptung aufgestellt und als echte Aussage getarnt.

Sie beziehen sich dabei unter anderem auf dies Quelle von Quer-Denk.TV: >> Flüchtlinge: wer schenkt jedem Smartphones, anonym und kostenlos? Eine Seite, die sich auf Esoterik und Verschwörungstheorien spezialisiert hat und in ihrem Bericht direkt auf den Anbieter A1 los geht. Auch dazu gibt es reichlich Quellen, allerdings hat sich bis heute kein einziger Fall tatsächlich nachweisen lassen. Der Standard schreibt dazu: >> Feindbild A1: Hetze mit Lügen über Gratis-Smartphones für Flüchtlinge

Auch die Behauptung die Flüchtlinge könnten anonym telefonieren, lässt sich nicht verifizieren und ist, da keine kostenlosen Handys für Flüchtlinge gibt, zusammen mit den Handys in das Reich der Fabel verweisen.

Kommen wir zu yourfone und die Simkarten für Migranten.

Die Aktion gab es tatsächlich, allerdings nicht ganz so wie von Klagemauer beschrieben, nämlich ohne Registrierung. Aber der Reihe nach.

Im Oktober 2015 hat der Simkartenanbieter yourfone eine deutschlandweite Tarif – Aktion für die Integration von Flüchtlingen angekündigt. Demnach sollten 50.000 Simkarten, in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Caritas – Verband und dem Deutschen Roten Kreuz, kostenlos an Flüchtlinge verteilt werden. Der Deutsche Caritas – Verband bekam 20.000 und das Deutsche Rote Kreuz 30.000 Simkarten zur Verteilung.

Bei dem Tarif handelte es sich um das Prepaid Paket Clever L, regulär wird dieses zum Preis von 9,95€ abgegeben und beinhaltet 200 Minuten und 200 SMS in alle DEUTSCHEN Netze.

Für jeden Anruf in ausländische Fest- oder Mobilfunknetze fallen hohe Kosten an, so kostet zum Beispiel jede Minute nach Syrien oder Afghanistan 99 Cent, da jede Prepaidkarte mit 5 € Startguthaben ausgestattet ist, dürfte dieses bei einem entsprechenden Telefonat recht schnell verbraucht sein. Zudem ist ein Datenvolumen von 1 GB enthalten, mit einer 3G Verbindung, also 7,2 Mbit/s im Downstream. Ist es aufgebraucht wird auf 32 kbit/s gedrosselt, was aber für normale Mitteilungen über die bekannten Messenger völlig ausreichend ist. Für Neuankömmlinge ist dieser Tarif die ersten 6 Monate kostenlos.

Warum diese Aktion?

Dazu Jens Spahn (MdB CDU): „Die Kommunikation unter den Flüchtlingen ist weitestgehend digitalisiert, Nachrichten verbreiten sich in Sekundenschnelle.“

„Die kostenlose SIM-Karte ist gleichzeitig eine Aufforderung an die Flüchtlinge, sich mit Deutschland, seinen Gepflogenheiten und Regeln auseinanderzusetzen und die Sprache zu lernen“, führte der Abgeordnete weiter aus.„Deshalb werden die Nutzer der SIM-Karten regelmäßig über entsprechende Angebote wie Info-Portale für Flüchtlinge, SMS Gutschein-Codes für kostenlose Deutsch-Lern-Apps oder geplante Integrationsangebote informiert werden.“ (Quelle)

Also gibt bzw. gab es diese Aktion tatsächlich, wie steht es um die Sonderregelung?

§ 111 des Telekommunikationsgesetzes verpflichtet die Telekommunikationsunternehmen persönliche Daten, wie Namen und Anschrift des Anschlussinhabers zu speichern.

Die Bundesnetzagentur, das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie das Bundesministerium des Inneren, habe sie auf Leitlinien für die Vergabe von Prepaid-SIM-Karten an Flüchtlinge ohne Ausweispapiere geeinigt.

Es gibt also eine Ausnahmeregelung, aber wie sieht sie aus?

„Bei dem Verkauf der Prepaid-Karten an Asylsuchende werden zunächst einmal die bei der Registrierung in der Erstaufnahme­einrichtung aufgenommenen Angaben erhoben und gespeichert. Neben dem Namen und Geburtsdatum des Asylsuchenden sollte die Adresse der Erstaufnahme­einrichtung aufgenommen werden.“

Also nichts mit anonym und auch einleuchtend, dass die Adresse der Erstaufnahme­einrichtung genommen wird, schließlich haben die Flüchtlinge zunächst keine andere Bleibe. Weiter..

Außerdem sollen die SIM-Karten-Nutzer spätestens nach drei Monaten per SMS aufgefordert werden, sich neu registrieren zu lassen. Dafür muss der Asylsuchende entweder eine aktuelle „Bescheinigung über die Meldung Asylsuchender“ (BüMA) oder eine Aufenthaltsgestattung im Zusammenhang mit der Asylantrag­stellung vorweisen. Die Info-SMS soll dabei in englischer oder arabischer Sprache versendet werden.

Zudem steht in der Ausnahme­regelung, dass die Inhaber einer SIM-Karte sich nach der Aufforderung zur Neu­registrierung innerhalb von 14 Tagen melden müssen, ansonsten wird die Prepaid-SIM-Karte abgeschaltet. Eine Erstauf­nahmestelle sei keine dauerhafte Anschrift, daher müsse es diese Ausnahmeregelung geben, damit den Asylsuchenden die Möglichkeit geboten werden kann einen Mobilfunk-Tarif zu bekommen. (Quelle)

Die Karte bleibt also zunächst 3 Monate nutzbar und dann muss eine Neuregistrierung erfolgen, damit ist auch die Gefahr des Untertauchens minimiert, denn spätestens nach 3 Monaten und 2 Wochen schaltet sich die Karte ab.

Bekommt etwa jeder eine von den yourfone Karten?

Direkte Frage – direkte Antwort – Nein.

Die Karten sollen koordiniert vergeben werden und zwar nur an Flüchtlinge, die eine große Chance haben Bleiberecht für Deutschland zu bekommen. Außerdem werden die Karten von den Sozialarbeitern in den Beratungsstellen einzeln verteilt. Der Flüchtling muss der oben beschriebenen Registrierung zustimmen. (Quelle)

Fazit:

Es gibt die Aktion, allerdings nicht von staatlicher Seite, weder in Österreich noch in Deutschland.

Die Verschwörungstheoretiker nutzten wieder einmal die Chance und versuchen wieder einmal Stimmung gegen den Staat und die Migranten zu machen.

Allerdings ohne wirklich Substanz zu liefern, sondern sie lassen vielmehr einfach Informationen weg und stellen dazu ein paar Behauptungen auf.

Da war doch noch die Aussage bzgl. anonym telefonieren – nun das kann jeder, es gibt da Apps zu, aber über die zu informieren ist nicht unsere Aufgabe.

Autor: Jens H., mimikama.org

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