Die Sache mit dem Kältebus auf Facebook

Autor: Tom Wannenmacher

Seit 2012 berichten wir bereits darüber! Auf Facebook kursieren diverse Bilder mit Telefonnummern für Kältebusse in verschiedenen deutschen Städten.

Dabei handelt es sich entweder um einen Screenshot von einer Mobile Facebook-App mit diversen Telefonnummern, oder um verschiedene selbst gebaute Bildchen mit einer Reihe von Städten und der entsprechenden Telefonnummer dahinter.

Vorweg möchten wir erwähnen, dass diese Teilungsaufrufe zwar in bester Absicht verfasst wurden, aber dass diese auf Facebook schlicht und einfach kontraproduktiv sind!

MIMIKAMA

Wir haben die Nummern hier absichtlich unkenntlich gemacht, da zumindest 2 von diesen schlichtweg falsch waren.

Kältebus: Kontraproduktiv deswegen…

…Viele dieser Nummern sind schlicht und einfach falsch. So hat unsere Recherche ergeben, dass die häufig für Hamburg genannte Notfallummer lediglich die Büronummer einer Mitarbeiterin der Diakonie Hamburg ist, die die dort „Mitternachtsbus“ genannte Einrichtung betreut. Außerhalb der Bürozeiten ist dort also niemand zu erreichen.

Zitat der Mitarbeiterin:

Das war nicht mit uns abgesprochen und ist von uns auch nicht leistbar.

Für eine Notfallnummer also absolut nicht tauglich!

Und selbst die in Hamburg eingerichtete Meldenummer der Diakonie für Auffälligkeiten auf der Straße ist nur von 8:00 bis 16:00 besetzt. Ferner fährt dieser Mitternachtsbus eine feste Strecke ab (die den meisten Obdachlosen auch bekannt ist), ist also nicht auf Abruf für Notfälle da.


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Was passiert also im schlimmsten Fall, wenn diese so eifrig geteilten Telefonnummern im Zweifelsfall angerufen werden?

Es geht vielleicht ein Anrufbeantworter dran, man spricht seine Meldung drauf (weil ja der Bus grad unterwegs sein könnte, und sich dann halt bei nächster Gelegenheit darum gekümmert würde) und hakt das Thema für sich ab – Meldung gemacht, Gewissen beruhigt. Dem Obdachlosen würde aber immer noch nicht geholfen werden!

Für Berlin lässt sich zum Beispiel eine ganz andere Überlegung anstellen: Wie sollen dort zwei Busse in einer Millionenstadt alle Obdachlosen bei Bedarf versorgen können?

Eine ZDDK-Leserin hat es in einem Kommentar auf den Punkt gebracht:

Wenn man am Tag bei gutem Wetter schon 50 Minuten braucht, kann man bei Eis und Schnee locker 2 Stunden rechnen!

Die ein oder andere Nummer mag vielleicht in der Tat richtig sein, so hat München sogar eine kostenfreie 0800er-Nummer eingerichtet, aber um dies herauszufinden hat es einen gewissen Rechercheaufwand gebraucht.

Und wer will das schon bei jeder Nummer machen? Dann klingeln bei den zuständigen Stellen in einer Naht die Telefone, weil jeder Facebook-Nutzer nachfragt, ob die Nummer „echt“ ist? Das kann’s wohl kaum sein…

Daher sind solche – sicherlich in bester Absicht verfassten – Teilungsaufrufe hier schlicht und einfach KONTRAPRODUKTIV!

Für einen Notfall gibt es immer und überall den allseits bekannten NOTRUF: 110 (Polizei) bzw. 112 (Feuerwehr/Rettungsdienst)! Diese sollten im Zweifelsfall gewählt werden. Die dortigen Mitarbeiter kennen sämtliche Hilfsangebote und Anlaufstellen der jeweiligen Stadt und sind immer innerhalb kürzester Zeit vor Ort!

Dennoch sollte man nicht immer einfach ohne Nachfrage Hilfe holen, wenn man bei eisigen Temperaturen einen Obdachlosen auf der Straße sieht. Wenn die Person nicht ansprechbar bzw. bewusstlos ist, ist das natürlich keine Frage. Aber generell gilt:

  1. Person ansprechen.
  2. Wenn Person nicht ansprechbar oder keine Reaktion: 112 anrufen
  3. Wenn Person Hilfe akzeptiert: 112 anrufen
  4. Wenn Person keine Hilfe will, bitte weitergehen. Viele Obdachlose wollen aus sehr guten Gründen nicht in einer Notunterkunft schlafen oder lehnen jegliche Hilfe von Fremden ab.

Die Mimikama-Redaktion, hat eine Mail erreicht, die einen weiteren problematischen Punkt anspricht:

[…] Ich arbeite im Rettungsdienst und sehe daher die andere Seite. Wir fahren so oft mit Blaulicht und Martinshorn durch die Stadt, gefährden dabei uns und andere um dann niemanden mehr anzutreffen.
Tatsächlich ist es nämlich wirklich so, dass viele Obdachlose unsere Hilfe nicht benötigen und sich daher vor unserem Eintreffen entfernen. […]

Nicht jeder Obdachlose, der nachts bei Kälte auf der Straße anzutreffen ist, akzeptiert auch Hilfe von Fremden oder ist in dem Moment wirklich hilfsbedürftig!

Es ist bei den sowieso schon oft schwach besetzten Rettungsstellen auch nicht förderlich, wenn diese wegen jeder teilweise unnötigen Meldung dann am Ende auch noch vergebens unterwegs sind.

Bevor jemand also den Notruf wählt, bitte IMMER erst die Person ansprechen!

Wenn diese keine Hilfe möchte, sollte man sie auch damit in Ruhe lassen. Wenn eine Person nicht ansprechbar ist (bewusstlos, etc.), natürlich immer den Notruf wählen, da hier u.U. Lebensgefahr bestehen kann.

Liste von speziellen Hilfsangeboten für Obdachlose

STERN TV hat eine Liste von speziellen Hilfsangeboten für Obdachlose veröffentlicht, die wir an dieser Stelle gerne weitergeben!

Berlin (Berliner Stadtmission)

Telefon:  0178-5235838

Berlin (DRK)

Telefon:  0170-9100042

Düsseldorf (Düsseldorfer GutenNachtBus)

Telefon: 0157-83505152

Frankfurt (Verein für soziale Heimstätten)

Telefon: 069-431414

Köln (Not-Telefon)

Telefon:  0221-441026

Krefeld (Obdachlosenhilfe linker Niederrhein)

Telefon: 0163-1452811

Mainz (Die Platte)

Telefon: 0172-6128282

Rostock (Obdachlosenhilfe Rostock)

Telefon: 0381-697382

Weitere Detailinfos unter: Kältebusse und Notfallnummern So können Bürger Obdachlosen helfen

Information vom 17.10.2015!

In unserer Community hat ein Mitglied folgende Information hinterlassen. Diese geben wir an dieser Stelle gerne weiter:

Zu eurem Kältebus Artikel möchte ich noch etwas anmerken, da ich in der Wohnungslosenhilfe Kreuznacher Diakonie arbeite und auch wohne, kenne ich viele, die auf der Platte gelebt haben. So ziemlich jeder Obdachlose, der Platte macht, ist dort meistens nur aus einem bestimmten Grund: Freiheit! Sie möchten keiner Verpflichtung nachkommen müssen, den meisten, die im Winter bei Minusgraden dann doch unsere Notunterkünfte aufsuchen, sind die Gespräche mit der Leitung oder den Sozialarbeitern schon zu viel Verpflichtung. Was ich damit sagen möchte, ist, das wohl der Mammutanteil sämtlicher Obdachlosen auf der Strasse lebt, weil sie das so wollen. Zudem sind sie Überlebenskünstler, jeder kennt die Einrichtungen der Diakonie oder auch Caritas, wo sie mal für ein paar Tage fest machen können. Meist sind denen unsere Einrichtungen aber aus einem weiteren Grund unrecht: Für die Unterbringung müssen sie vom Tagessatz (13,20 €) die Hälfte abgeben. Für den Kreis Bad Kreuznach – Idar Oberstein wären dass die folgende Adressen: Eremitagerweg 211, 55559 Bretzenheim,  Tel: 0671-839490 oder Amtsstrasse 4, 55743 Idar-Oberstein, 06781-5687360 Damit ist denen wohl eher geholfen wie mit dem Kältebus. (Verweis: http://zddk.eu/groups/berichte-von-externen-websites/forum/topic/kaeltebus-fuer-obdachlose/)

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