Der Mythos vom Auslauf des Bodenrechts in Deutschland im Oktober 2017

Autor: Ralf Nowotny

Memes mit kurzen, wenig erklärenden aber aufwieglerischen Texten sind auf Seiten und in Gruppen sogenannter Reichsbürger äußerst beliebt. Es wird darauf vertraut, dass es schon stimmt, was da steht. Ob dies in jenem Meme, welches sich immer wieder mal verbreitet, der Fall ist, werden wir herausfinden.

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Zeit fuer das Recht zu kaempfen!

Okt. 2017 läuft das Bodenrecht in Deutschland nach 99 Jahren aus. Ab da muss der Besitz von jedem Deutschen erneut beansprucht werden.

Das PROBLEM: Deutsche sind im Sinne des angewandten Rechts (GG §116) alle, die eine Deutsche Staatsangehörigkeit besitzen! Dieser Nachweis ist eine Bringschuld! Ein Personalausweis oder Reisepass ist KEIN Nachweis! Diese geht ausschließlich über den Staatsangehörigkeitsausweis, der in der Ausländerbehörde der Gemeinden beantragt werden kann.

z.Z. gibt es ca. 4,5mio „Deutsche“ mit diesem Nachweis. Die meisten davon sind Migranten und Asylbewerber, die nach dem Gesetz mehr Rechte haben als ein Deutscher nach Abstammung!
Euer Land werden sich die Banken und Konzerne und die nicht abgestammten Deutschen unter den Nagel reissen. Ein neues Staatsgebiet, ein Neues Volk, eine neue Verfassung, die nicht zwingend eine Deutsche sein muss…! Sie nehmen unser Land, unsere Felder, Wälder und unser Wasser!

Völkische Propaganda? Schön wäre es! Es ist das Gesetz! Seit fast 100 Jahren belogen und betrogen durch die Parteien, seit 70 Jahren dumm gehalten und gemacht durch US-Eliten und Medien.”

Das ist ja mal eine Menge Text auf einem kleinen Bildchen! Gehen wir das Ganze einfach mal Schritt für Schritt durch:

Das Bodenrecht in Deutschland

Lt. dem ersten Satz läuft das Bodenrecht in Deutschland nach 99 Jahren aus. Aber woher kommt diese Info? Dazu müssen wir mal 99 Jahre in die Vergangenheit springen, da also im Oktober/November 1918 irgendwas geschehen sein muss, worauf jene Behauptung fußt.

Tatsächlich werden wir fündig. Zumindest so halb: im November 1918 verkündete Reichskanzler Max von Baden die Abdankung Kaiser Wilhelms II, am 28. November verkündete Wilhelm II. aus seinem Exil im niederländischen Amerongen heraus seinen Thronverzicht.

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Quelle: wilhelm-der-zweite.de

Nun begründet das alleine noch kein Bodenrecht. Es soll allerdings noch ein weiteres Dokument geben, welches jenes Bodenrecht begründet. Wörtlich heißt es dazu auf diversen Reichsbürgerseiten:

Bevor der deutsche Kaiser Wilhelm II ins Exil gezwungen wurde, nötigten ihn die damaligen Kriegsalliierten dazu, eine Urkunde zu unterschreiben, die der Sache nach das gesamte deutsche Staatsgebiet in eine reine Erbpacht mit der üblichen Laufzeit von 99 Jahren umwandelte.

Diese 99 Jahre sind im Oktober 2017 abgelaufen… Man darf davon ausgehen, daß niemand diese Erbpacht verlängert, und daß das deutsche Territorium, also unser Grund und Boden, danach herrenlos wird bzw. an unbekannte Verpächter zurückfällt.

An dieser Stelle haben wir ein Problem: Jene ominöse Urkunde ist nämlich nirgends auffindbar. Überall findet sich jene Behauptung, die ältesten davon stammen von 2009, doch bisher konnte keine Seite irgendein Dokument vorlegen, welches die Aussage bestätigen würde. Auch auf Nachfrage in diversen Foren wurde nie reagiert. „So steht es geschrieben, so muss es auch sein“ scheinen sich die Verbreiter zu denken. „Beweise sind was für Zweifler, die brauchen wir hier nicht.“

Der Staatsangehörigkeitsausweis

In dem Meme wird ein Staatsangehörigkeitsausweis (auch „Gelber Schein“ genannt) erwähnt, den man nun benötige, um „sein“ Land wieder in Besitz nehmen zu können. Migranten und Asylbewerber sollen jenen Ausweis schon haben.

Tatsächlich gibt es diesen Ausweis, der dazu dient, die deutsche Staatsangehörigkeit verbindlich nachzuweisen. Benötigt wird er beispielsweise bei der Ernennung zum Beamten, aber auch, wenn ein Deutscher ein ausländisches Kind anerkennen oder adoptieren möchte, welches dadurch ebenfalls die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen würde.

Haben Migranten so einen Ausweis?

Ganz klar: Nein! Jener Ausweis stellt eine bereits bestehende deutsche Staatsangehörigkeit verbindlich fest. Wenn Migranten deutsche Staatsangehörige werden wollen, müssen sie erst einen Einbürgerungstest machen und bekommen dann eine Einbürgerungsurkunde, welche aber nicht mit dem Staatsangehörigkeitsausweis gleichzusetzen ist.

Fassen wir zusammen

Das Meme begründet sich auf eine Urkunde, dessen tatsächliche Existenz bezweifelt werden kann. In keinen Unterlagen über die damaligen Ereignisse im Deutschland 1918 findet sich auch nur ein Hinweis darauf, wir haben hier nur eine Behauptung, die seit wenigstens sieben Jahren durchs Netz geistert, aber nie bewiesen wurde.

Weiterhin sind sich im Falle des „Gelben Scheins“ sogar die Reichsbürger selber uneinig:
Da sie Deutschland meist in den Grenzen von 1914 oder 1937 sehen, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland abstreiten, somit auch sämtliche Gesetze und Formulare für ungültig ansehen, kann ihnen im Prinzip auch kein Staatsangehörigkeitsausweis helfen… weil es nach ihrem Denken ja gar keinen Staat gibt.

Hier beißt sich die Katze selbst in den Schwanz: Ein Reichsbürger kann nicht einerseits auf einen „Gelben Schein“ als gültiges Dokument pochen, andererseits alle anderen Dokumente als ungültig erachten. Somit haben wir ein schönes Beispiel für das „Reichsbürger-Paradoxon“.

Im Endeffekt haben wir es also mit einem eindrucksvoll und beängstigendem Text auf einem Bildchen zu tun, der sich bei näherer Betrachtung als heiße Luft herausstellt.

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